Düfte transportieren Bilder

Parfum-Experte Frank J. Schnitzler über den richtigen Duft, Verführung per Geruch, hohe Preise und worin sich Männer und Frauen beim Parfumkauf unterscheiden.

 

Herr Schnitzler, das Wort „Parfum“ wird in Deutschland sehr unterschiedlich ausgesprochen. Einige sagen „Parfühm“, andere sprechen es eher französisch aus. Wie ist es richtig?
Schnitzler: Auf keinen Fall „Parfühm“! Das ist eingedeutscht. Das Wort „Parfum“ kommt aus dem Französischen und sollte daher auch entsprechend ausgesprochen werden.

Sie gelten hierzulande als „Parfum-Papst“ und Instanz in Sachen Duft. Wie wurden Sie dazu?
Schnitzler: Düfte und Parfums haben mich schon seit meiner Kindheit fasziniert. Außerdem hatte ich immer schon eine gewisse Affinität zu schönen Dingen und Luxus. Parfums bedeuten Leidenschaft für mich.

Bei Parfum-Werbung sind stets junge Frauen abgebildet. Man hat den Eindruck, dass die reifere Zielgruppe vollkommen ausgeblendet wird. Ist das so?
Schnitzler: Sie können kein Parfum herausbringen für die Frau ab vierzig. Das würde niemand kaufen, weil alle Frauen zwischen zwanzig und dreißig sein wollen. Es gab solche Versuche einer reiferen Zielgruppenansprache mal bei Cremes, aber auch da hat es nicht funktioniert.

Frauen möchten also jung riechen?
Schnitzler: Nicht unbedingt jung, aber auf keinen Fall alt (lacht). Frauen wollen zwar siebzig werden, aber aussehen wie fünfunddreißig. Man sollte sich jedoch immer seinem Alter entsprechend bewegen. Eine 60-jährige Frau würde sich in der Regel ja auch keinen knallbunten Pullover anziehen. Mit Düften ist das ähnlich.

Sollte sich jeder Mensch ein einziges Parfum suchen, das er für alle Gelegenheiten benutzt oder sollte man variieren?
Schnitzler: Das muss letztlich jeder für sich selbst entscheiden, aber was soll denn dagegen sprechen, bei unterschiedlichen Anlässen unterschiedliche Parfums zu benutzen? Ich ärgere mich jedoch darüber, wenn Frauen sich Düfte aufschwatzen lassen oder aufgrund einer Werbung zu Düften greifen, die gar nicht zu ihnen passen. Fragen Sie auf der Straße doch mal nach, wie viele Frauen angebrochene Düfte im Schrank stehen haben, die sie nicht nehmen, weil sie sich nicht damit identifizieren.

Sie haben selbst viele Jahre eine eigene Parfümerie betrieben. Wie findet man denn den richtigen Duft für einen Menschen?
Schnitzler: Es gibt viele Verkäufer, die Kunden allein nach ihrem Äußeren beurteilen. Diese Oberflächlichkeit reicht aber bei Weitem nicht aus. Man muss mit seinen Kunden sprechen, ihn kennenlernen und sich Zeit nehmen, um den passenden Duft finden zu können. Im Laufe der Jahre habe ich mir eine Reihe kniffliger Fragen erarbeitet, die mich stets zum passenden Duft eines Menschen führen.

Sie müssen also den Menschen dahinter kennenlernen.
Schnitzler: Ganz genau. Anders geht es nicht. Ich mache das aber ganz geschickt durch Smalltalk, denn ein Kunde möchte sich natürlich nicht ausgefragt vorkommen. Bei wortkargen Menschen ist es jedoch immer schwierig.

Was machen Sie dann?
Schnitzler: Man darf nicht aufgeben. Ich hatte zum Beispiel mal ein altes Mütterchen als Kundin, die nicht mit mir reden wollte. Nachdem ich ihr zwanzig verschiedene Düfte gezeigt hatte, von denen ihr keiner gefallen hat, habe ich ihr tief in die Augen gesehen und sie ganz ruhig gefragt: „Meine Liebe, fangen wir noch einmal ganz von vorne an und sagen Sie mir: Was wollen Sie mit Ihrem Duft eigentlich erreichen?“ Plötzlich warf sie ganz verlegen den Blick nach unten und sagte ganz leise: „Eigentlich möchte ich nur mal wieder mit einem Mann zusammen sein.“ Daraufhin habe ich ihr ein Parfum vorgelegt, und das war auf Anhieb das richtige.

Gibt es denn tatsächlich Düfte, mit denen eine Frau unter Garantie ihren Traummann verführt bekommt?
Schnitzler: Nein, natürlich nicht. Aber es gibt eine ganze Reihe erotischer Düfte, bei deren Herstellung auch Pheromone verwendet werden. Diese Duftstoffe haben eine unglaubliche Wirkung.

Also stimmt der Satz der Schauspielerin Jeanne Moreau, dass Frauen Parfum benutzen, weil die Nase eines Mannes leichter zu verführen ist als sein Auge? Es heißt doch immer, Männer würden zu viel Wert auf das Aussehen einer Frau legen.
Schnitzler: Abends bei Kerzenschein ist das Parfum fast genauso wichtig wie das Äußere. Wenn man einen sympathischen Menschen vor sich hat, der aber vielleicht nicht der Allerschönste ist, dann kann das richtige Parfum dennoch stimulierend wirken. Düfte wirken sehr manipulativ, und zwar sehr subtil.

Sie haben eben gesagt, dass man den Duft finden muss, der zu einem passt. Sollte demnach eine Frau aus einer unteren sozialen Klasse niemals eine Edel-Marke wie Chanel benutzen?
Schnitzler: Chanel ist nicht gleich Chanel. Ein Duft wie „Coco“ mit seiner orientalischen, pudrigen und geheimnisvollen Note ist sicherlich nicht nur etwas für die High Society. Parfum bringt die Leute eben auch zum Träumen, soll glücklich und zufrieden machen. Wenn ein Duft von Chanel dazu beiträgt, ist das doch toll.

Kaufen wohlhabende Menschen denn mehr Parfum?
Schnitzler: Nicht zwangsläufig. Ich kenne auch eine wohlhabende Frau, die ständig mit 18 Angestellten unterwegs ist. Die nimmt überhaupt kein Parfum, weil sie bereits durch ihre vielen Beschäftigten ständig von verschiedenen Düften umgeben ist.

Gibt es Unterschiede beim Verkauf von Parfum an Männer und Frauen?
Schnitzler: Selbstverständlich! Ein Mann muss mit ganz anderen Worten bedient werden als eine Frau. Männer sind ergebnisorientiert. Die wollen wissen, welche Wirkung ein bestimmter Duft hat. Da muss man klar und sachlich auf Fragen eingehen. Beim Parfum-Verkauf an Männer ist daher eher die Sprache der Autowerkstatt gefragt, nicht so sehr die eines Kosmetiksalons.

Sie können kein Parfum herausbringen für die Frau ab vierzig. Das würde niemand kaufen, weil alle Frauen zwischen zwanzig und dreißig sein wollen.

– Frank J. Schnitzler

Wo sollte man Parfum am besten auftragen?
Schnitzler: Wenn man einen Lieblingsduft hat und sich morgens anzieht, sollte man zuerst ein kleines bisschen aufs Dekolleté machen. Danach kommt ein Hauch auf die Haare, denn Haare besitzen eine Keratin-Substanz, die Parfum längere Zeit bindet. Auch am Nacken, hinterm Ohr und am Handgelenk ist es toll. Ich persönlich mache auch immer etwas in das Innere meines Anzugs, weil die eigene Körperwärme das Parfum perfekt zur Entfaltung bringt. Dadurch trägt man das Parfum immer bei sich.

Die amerikanische Kosmetik-Unternehmerin Estée Lauder hat mal gesagt: „Parfum ist wie die Liebe. Ein bisschen ist nie genug.“ Sind Sie derselben Ansicht?
Schnitzler: Parfum sollte niemanden anspringen. Es gab mal Zeiten, in denen es diese lauten amerikanischen Düfte gab wie Giorgio Beverly Hills. Diese Zeiten sind vorbei. Heute wirkt so etwas unfein und grenzt schon fast an Körperverletzung. Vor der Tür eines amerikanischen Restaurants stand vor Jahren sogar mal ein Schild auf dem stand: „Bitte kein Giorgio Beverly Hills benutzen.“ (lacht)

Es ist ja auch sehr unangenehm, wenn man hinten im Bus sitzt und den penetranten Duft der Dame in der ersten Reihe riecht.
Schnitzler: Ja, das stimmt. Besonders schlimm ist es bei Stewardessen, wenn man im Flugzeug sitzt und nicht weglaufen kann. Deswegen sollten Verkäufer immer nach dem Beruf des Kunden fragen, denn Zahnärzte und Bankbeamte können kein aufdringliches Duftwasser tragen.

Welche Dosierung ist denn die Richtige?
Schnitzler: Dafür gibt es keine Faustregel. Das ist vom Anlass abhängig, aber auch von der Person. Ein schriller Mensch kann auch mal ein etwas lauteres Parfum benutzen. Im besten Falle sollte es aber riechen wie frisch geduscht. Weniger ist manchmal mehr.

Wie viele Parfum-Sorten können Sie am Duft erkennen?
Schnitzler: Achtzig bestimmt. Andere erkenne ich vielleicht nicht ganz präzise, aber kann natürlich die Richtung bestimmen.

In Ihrem Bucht steht, die menschliche Nase könne 2.000 bis 3.000 Geruchsnoten erkennen. Das mag man gar nicht glauben.
Schnitzler: Ja, das ist ganz erstaunlich. Der renommierte Prof. Dr. Dr. Dr. med. habil. Hanns Hatt von der Ruhr-Universität in Bochum hat das in vielen Vorträgen und Büchern erklärt. Aber natürlich gehört auch eine gewisse Übung dazu. Man muss endlich mal mit dem Vorurteil aufräumen, dass der Mensch nur fünf verschiedene Düfte auseinanderhalten kann. Das ist Unsinn.

Wo kommt dieses Vorurteil denn her?
Schnitzler: Ganz klar: Von den Verkäuferinnen, die ihre Kunden schnell wieder aus dem Laden heraushaben wollen. Aber es ist natürlich richtig, dass man bei einer Parfum-Probe die ersten drei Düfte intensiver wahrnimmt als den fünfzigsten Duft.

Haben Gerüche Einfluss auf die Stimmung?
Schnitzler: Selbstverständlich. Düfte werden im Kleinhirn gespeichert. Und wenn man in jungen Jahren in einer schönen Situation etwas gerochen hat, wird einem der Geruch immer wieder an diese Situation erinnern. Düfte transportieren Bilder.

Also stimmt der Satz von Karl Lagerfeld, dass ein Duft die besten Augenblicke des Lebens wachrufen muss.
Schnitzler: Natürlich. Wenn Sie einen schönen Duft mit tollen Erlebnissen verbinden und diesen Duft riechen, sind Sie sofort gut drauf. Als ich selbst noch Parfums verkauft habe, kam es auch manchmal vor, dass es anstrengende Kunden gab, über die ich mich geärgert habe. Sobald diese Kunden dann das Geschäft verlassen haben, bin ich an meinen Schrank gegangen und habe mich von oben bis unten besprüht. Das hatte eine reinigende Wirkung, fast wie eine Dusche. Das Parfum hat einen Abstand zu dem unangenehmen Erlebnis geschaffen. Und das ist im normalen Leben sicherlich ähnlich.

Wie ist es zu erklären, dass billiges Parfum auch „billig“ riecht?
Schnitzler: Heutzutage kann man sämtliche Düfte chemisch herstellen, und das passiert manchmal sehr hochwertig, manchmal sehr preiswert – und das riecht man.

Was zeichnet ein gutes Parfum denn aus?
Schnitzler: Ein gutes Parfum muss wahrnehmbar sein, einen sofort gefangen nehmen und Sympathie ausstrahlen. Aber das Wichtigste ist: Im Laufe der Zeit muss das so bleiben. Das sind die Kriterien, die ein Qualitätsparfum von einem minderwertigen Duft unterscheiden.

Das ist aber doch sehr subjektiv.
Schnitzler: Klar. Dennoch gibt es Düfte, bei denen 9 von 10 Leuten sagen, dass sie ihnen gefallen. Wenn sich ein Parfümeur Mühe gibt, einen abgerundeten Duft zu kreieren ohne Spitzen und Kanten, dann fühlen sich viele Menschen dadurch angesprochen.

Wie kommt denn der hohe Parfumpreis zustande?
Schnitzler: Es gibt viele verschiedene Posten wie Herstellung, Flasche, Kartonage, Vertrieb, Versand, Werbung. Doch es ist richtig: Selbst wenn man das alles zusammenrechnet, bleibt noch ein ansehnlicher Gewinn. Man verkauft eben ein Lebensgefühl. Wenn ein Duft in der Liga der guten Düfte mitspielen will und auch wirklich ein guter Duft ist, dann muss er eine bestimmte Preislage haben – sonst wirkt er unglaubwürdig und wird nicht gekauft.

Parfums sind eben Luxusartikel.
Schnitzler: So ist es. Niemand braucht ein Parfum. Es passiert ja nichts, wenn Sie es nicht nehmen. Aber wenn Sie daran gewöhnt sind, würde Ihnen etwas fehlen.

Welches ist denn Ihr persönlicher Lieblingsduft?
Schnitzler: „Eau Sauvage“ von Christian Dior. Das bin ich. Das ist ein Teil von mir. Das kenne ich seit Jahren und verbinde viele tolle Erlebnisse damit. Ich nehme selbstverständlich auch viele andere Düfte, aber wenn ich ganz sicher sein will, dann greife ich darauf zurück.

Wie viele Parfums haben Sie denn bei sich zuhause stehen?
Schnitzler: 25. Aber im Büro habe ich auch noch ein paar (lacht).

 

Frank Schnitzler gilt als Institution in olfaktorischen Fragen und hat mehr als 35 Jahre lang exquisite Parfümerien im Westen Deutschlands geführt. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges veräußerte er seine Filialen an Douglas. Seitdem arbeitet er als Trendscout und Berater für die Kosmetik- und Parfümindustrie. 2010 hat er die Parfum-und Kosmetikmesse „Global Art of Perfumes“ mitbegründet. 2011 ist in Zusammenarbeit mit Bodo Kubartz „Das große Buch vom Parfum“ von ihm erschienen – ein umfassendes Nachschlagewerk über die wichtigsten Parfums der Welt (Collection Rolf Heyne).



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